• KONTAKT
  • IMPRESSUM

  • aktuelles
  • wir
  • repertoire
  • fotos
  • netzwerk
  • presse

Presse

HEPTA - acoustic movement concert Spuren

Das Tanztheater ellaH mit einem mutigen Experiment zwischen Neuer Musik und Zeitgenössischem Tanz

Im sattbraunen Rindenmulch kauern drei Tänzerinnen, klein und rund liegen sie auf dem Boden der Bühne. Daneben schlägt der Komponist und Musiker Aristides Strongylis einen Ton auf seinem Klavier an. Der Ton steht im Raum und nichts passiert. Strongylis wuchtet das auf Rollen befestigte Klavier über den knöchelhohen Mulch auf die Bühne. Er beginnt mit seinem Klavierstück “Die sieben offenen Chakren des Dionysos”. Diesmal reagieren die Tänzerinnen. Angezogen von der Musik robben sie über den Boden, bis sie am Ursprung der Musik, dem Komponisten am Klavier, angekommen sind.

Aufeinandertreffen von Neuer Musik und Zeitgenössischem Tanz
Die Uraufführung von “Hepta”, einem “acoustic movement concert” in der Theatrale Halle, ist ein Experiment, bei dem sich Neue Musik und Zeitgenössischer Tanz live auf der Bühne begegnen. Annett Paschke, Choreographin des Stücks, erläutert zu dieser interaktiven Koproduktion zwischen dem Tanztheater ellaH und dem Komponisten Aristides Strongylis: “Früher haben wir noch klassischeren Tanz gemacht. Mit unserem letzten Stück ‘Kategorie F29’ haben wir eine sehr theatrale Form ausprobiert, diesmal arbeiten wir performativer.”
Normalerweise gibt im Tanztheater der Takt der Musik auch den Takt der Aufführung vor. Bei Hepta ist dies anders. Hier agieren der Komponist und die Tänzer als gleichwertige, sich gegenseitig beeinflussende Partner miteinander. Denn der Komponist ist beileibe nicht unangreifbar. Vielmehr steht er im ständigen Austausch mit den Tänzerinnen. Meist folgen diese seiner Musik. Doch manchmal zwingen sie den Musiker zu Änderungen. Es werden sogar die Rollen getauscht. Dann steigt Strongylis von seinem erhöhten Klavierschemel und folgt der Geigenmusik von Ada Schaff.

Für den Komponisten ein ganz neuer Horizont
“Normalerweise gibt es ein fertiges Stück”, erläutert der sichtlich ausgelaugte Strongylis nach der Premiere, “aber dieses wurde freigegeben”. Strongylis, der als Komponist sonst im Publikum sitzt, wenn seine Musik gespielt wird, stand zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren wieder auf einer Bühne. “Die Zusammenarbeit mit den Tänzern war eine Herausforderung und Bereicherung zugleich. Ein neuer Horizont.” Diesen Horizont will der Komponist nun in die Vollendung der “Sieben offenen Chakren des Dionysos” einfließen lassen. Noch diesen Sommer soll sie als konzertante Version für 13 Instrumentalisten, einen Mezzosopran und einen Erzähler fertig werden. Dann wird er wieder ganz ruhig im Publikum sitzen und der Aufführung seiner Musik lauschen.

Physischer Einsatz, große tänzerische Lust
Zurück zum Anfang: Das ultraviolette Licht wirkt wie eine metaphysische Dämmerung. Langsam erwachen die drei Tänzerinnen angezogen durch das Klavierspiel und setzen ihre Körper in Bewegung. Ada und Franziska Schaff sowie in abwechselnder Besetzung Margund Weber oder Livia Makrinus tanzen mit großer Lust, physischem Einsatz und starkem emotionalen Ausdruck jedes der sieben Chakren. Dass ihnen die professionelle Tanzausbildung fehlt, die Bewegungen also nicht immer genau synchron sind, ist leicht zu verschmerzen.
Die einzelnen Chakren funktionieren wie Kapitel in einem Buch. Für jedes wechselt das Klavier seinen Platz auf der Bühne, mit jedem wird ein anderes Thema behandelt: Geburt, Liebe, Ekstase oder Tod – einmal das ganze Leben. Es geht in dem Tanzstück auch um Wege. Weiße Linien auf dem Boden; Bahnen, die in den Mulch gewühlt werden und Pfade, in die die Musik die Tänzer zwingt. Es geht darum, Spuren zu hinterlassen und seinen Weg zu finden. Häufig wird während des Tanzens der Mulch aufgewirbelt. Dann riecht es nach Wald und der Staub liegt fein wie Morgentau in der Luft. Allergiker und sensible Nasen sollten hierbei aufpassen – so manch einer hatte eine verschniefte Nase nach der Premiere.

Wege ziehen und Spuren finden
Insgesamt präsentiert das Tanztheater ellaH mit „Hepta“ ein mutiges Experiment. Das Zusammenspiel von Neuer Musik und Zeitgenössischem Tanz ergibt ein performatives Tanztheater das viel mehr ist als kulturelle Folklore. Es ist ein Stück freier Kulturarbeit, wie man es eher in Berlin, Leipzig oder Hamburg erwarten würde.

Bastian Buchtaleck

Mai 2011

Kategorie F_29 Es fehlen die Worte

Das Tanztheater “ellaH” aus Halle und das freie Theater “nordlichten” aus Hildesheim haben sich zusammengetan, um mit szenischen Mitteln zu ergründen, was dieser schwammige medizinische Terminus eigentlich umschreibt. Hierfür haben sie mit Betroffenen gesprochen, haben Erlebnisberichte gesammelt, die von Psychopharmaka-Nebenwirkungen handeln, von Therapieversuchen in psychiatrischen Kliniken und von bohrenden Entfremdungsgefühlen. […]
Aber es gibt eine andere Ebene, einen Versuch die Welt der Worte zu unterlaufen, einen Ausdruck zu finden für das Nicht-Sagbare. Denn fünf Darsteller tragen zwar Hemden, die wie Zwangsjacken auf ihrem Rücken verknotet sind, bewegen sich aber in schmerzlichen Choreographien zu der mal verzweifelten, mal euphorischen Musik von Hannes Scheffler. Das Regie-Team Annett Paschke und Matthias Spaniel findet Körperbilder für Seelenzustände. Die Tanzfiguren bleiben anfangs im Bereich der altbekannten Ausdrucksgesten, wachsen sich im Laufe der einstündigen Aufführung jedoch zu immer eindrucksvolleren Verzweiflungsbekundungen aus. Während ein gleichmäßiger Strom von dünnen schwarzen Plastikflocken auf die Bühne des theo rieselt, ergeben sich Verdichtungen der Schutzlosigkeit. […]
Dieses Tanztheater kann dem Phänomen psychischer Erkrankungen keine fassbaren Erkenntnisse abringen, schafft aber doch tiefe, eindringliche Ausdrucksmomente. Vielleicht will dieses Stück genau das: Der Unerreichbarkeit der Kranken einen Referenz erweisen. Es fehlen die Worte, es fehlt auch der Trost. Aber da ist die Bewegung, die Musik, die mitreißt, die für Augenblicke Halt schafft und Verbindung. Die Gefangenen werden nicht befreit. Wir aber werden berührt.

André Mumot

Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 02.11.09

Kategorie F_29 Es herrscht nichts, als das nichts

Zur Uraufführung von “Kategorie F_29” des Tanztheater ellaH und freien theaters nordlichten im neuen theater Halle

Als sich die englische Dramatikerin Sarah Kane vor 10 Jahren im Alter von nur 28 Jahren erhängte, hatte sie kurz zuvor das letzte Manuskript ihrem Verleger übergeben. “4.48 Psychose” – Aufzeichnungen und Fragmente über die Klarheit im Wahn, die morgendlichen Stunden ab 4.48h. Es sind Teile dieser autobiographischen Skizzen und Berichte anderer Betroffener, die das freie theater nordlichten (Hildesheim) und das Tanztheater ellaH (Halle) gemeinsam als Inspiration für ihre Inszenierung “Kategorie F_29” genommen haben.
Hinter dem zwar transparent und doch schleierig wirkenden Vorhang sind zunächst nur die Konturen einer tanzenden Frau erkennbar. Noch tanzt das ICH allein, noch ist es ganz. Im Verlaufe des Abends aber zerfällt es in Gedanken, Bewegungen, Emotionen. Es dauert nicht lang, schon haben sich die anderen vier im ICH eingenistet, mal chorisch tanzend oder sprechend als kollektives Bewusstsein, mal einzeln brechend und hervorhebend. Es sind auch diese vier Teilpersönlichkeiten, die kurz Klarheit schaffen, indem sie den Vorhang herunterreißen und den Blick frei geben. Obwohl die Protagonistin sie zu diesem Zeitpunkt noch wie ihre eigenen Bewusstseinsmarionetten zu steuern scheint, ist der Auflösungsprozess nicht mehr zu bremsen. Das pathologische Moment wird immer durchsichtiger, wenn Szenen aus dem Therapiealltag auftauchen, verschiedenste Medikamente und ihre Dosierungen besprochen werden und die Neonröhren im Gegenlicht diese Krankenhaussterilität bezeugen (Licht: Christian Meinke). Die fünf DarstellerInnen scheinen in ihren Körpern gefangen: Getriebene, deren Ruhelosigkeit sich in Atemlosigkeit offenbart, die nicht aus ihren Zwangsjacken (Ausstattung: Anja Scholz) herauskönnen, die immer mehr zerfallen und eins werden mit dem permanent rieselnden Ascheregen. So geht dann das ICH schließlich aus dem letzten Licht, obwohl es nicht sterben will, das Leben aber nicht mehr erträgt.
Die beiden Regisseure Annett Paschke und Matthias Spaniel zeichnen ein sehr intimes und einfühlsames Bild der Krankheit als auch der Betroffenen, ohne sich dabei ausschließlich in Düsterkeit und Melancholie zu verlieren. Sie finden in der Symbiose von Tanz- und Sprechtheater ihre eigene Form, die der Zerrissenheit kraftvoll Ausdruck verleiht. Ein großes Lob gilt den fünf Darstellerinnen und Darstellern, die der “nicht näher bezeichneten nichtorganischen Psychose” – so der Fachterminus hinter F29 – ein Gesicht gegeben und Mut gemacht haben.

Janina Lehr

Theater am Campus, HS Merseburg

Kategorie F_29 Tanz im Käfig

Zur Uraufführung von “Kategorie F_29” im Neuen Theater Halle am 08.05.2009

Im inneren Nichts gefangen, wie in einem Käfig, isoliert hinter einer Milchglasscheibe – so möchten die Akteure des Freien Theaters Nordlichten (Hildesheim) und des Tanztheaters ellaH in ihrem durch weiß-transparente Tücher abgegrenzten Bühnenraum scheinen. So drücken Annett Paschke, Matthias Spaniel (Regie) und Kathrin Weber-Krüger (Dramaturgie) ihrem Tanztheaterprojekt durch den Titel einen Stempel “Kategorie F29” auf. Unter dieser Bezeichnung grinst einen im ICD 10 die Diagnose der nichtorganischen Psychose finster an. Die Darsteller Cornelia Baeßler, Knut Gabel, Livia Makrinus, Veit Merkle, Franziska Schaff, Anna Schnitzer, Margund Weber und Anita Wuttke sind semiprofessionelle Tänzer und Schauspieler. Ihr Tanztheaterprojekt ist inspiriert durch Sarah Kanes Stück “4.48 Psychose”, ein Werk im Stil der Fragmentierung und des Aufbrechens klarer Rollen. Der Titel bezeichnet das Symptom des Frühaufwachens, frei von Medikation und bedeutet den scheinbar paradoxen Zustand von geistiger Klarheit und psychotischer Manie.
Einen Lichtstrahl teilt den Bühnenboden diagonal: die “Borderline”. Das ICH windet sich um diese Linie, mal in den einen, mal in den anderen Bereich schwankend. Es wird im Verlauf des Stückes zerfallen. Interessant kontrastiert wird dieser Regress durch Hannes Schefflers progressive Gitarrenmusik. Als die vier Teilpersönlichkeiten das ICH auf der Bühne anschleichen und in irrsinniger Geste den Schleier zum Publikum hin abreißen, ändert sich leider nichts weiter, kein Bruch ist zu sehen. Schwarze Flocken beginnen todesverheißend auf die Szenerie zu rieseln, die von vergeblichen Verständigungsversuchen lebt. Dabei werden die Ascheflocken zum Vermittler: man bewirft, streichelt und reibt sich damit.
Letztlich bleiben die Darsteller aber an Betroffenenzitaten und ihren stereotypen Bewegungsabläufen kleben. Die Inszenierung schreibt weithin nur von Aussagen psychisch Kranker ab. So passiert es, dass die Worte Sarah Kanes: “Ich will nicht sterben, ich will nur nicht mehr leben” den Zuschauern lediglich leichte Lacher entlocken. Ein tieferes Verständnis wird in der Vorführung des leeren Glaubens an die Rettung durch Ärzte oder Medikation offenbar. Das eindrucksvollste Bild dazu zeigt das ICH, Therapiefloskeln wie “Ich bin wertvoll” leiernd, wobei sein Mund und seine Zwangsjacke mit Asche ausgestopft werden. Verstärkt wird die Stimmung durch klinisch-kaltes Neonlicht, welches den Szenenkäfig rundherum ausleuchtet (Licht: Christian Meinke).
Am Ende fällt die Gruppe vom ICH ab und es schreitet auf der lichternen “Borderline” aus dem Raum, eindeutig. So werden keine Fragen aufgeworfen.

Franziska Scholze

Theater am Campus, HS Merseburg

LegoLeben Tanztheater mit Grazie und Graffiti

“LegoLeben”: Gelungene Premiere von “ellaH”

Acht regelmäßige, dreiseitige, gerade Prismen liegen im gleißenden Scheinwerferlicht. Halb durchsichtig treten die kantigen Gebilde in den Hintergrund und lenken das Auge auf die dahinterhockenden menschlichen Körper. Auf der Bühne der Theatrale machen keine Geometrie sondern Theater – an diesem Premierenabend getanztes. “LegoLeben” heißt die impressive 50-minütige Collage von Tanzstücken, die das Tanztheater “ellaH” erstmalig vorführte.
Kann man die Problematik schrumpfender Städte tanzen? Wie sich zeigt, ja. Denn dieses ist das Anliegen von “LegoLeben”. “Detroit, Ivanovo, Manchester/Liverpool, Halle/Leipzig” liest man im Programmheft des Stückes “Symbole des Kreislaufs von Entsiedeln und Bevölkern… Entwurzeln und Beleben”. Die acht Tänzerinnen von “ellaH” bringen diese ambivalenten Zyklen nicht nur mit modernen Tanz zum Ausdruck, sondern verweben sie mit Musik und Schauspiel zu einem großen ästhetischen Ganzen. Sie sind schön, wenn sie neben  aus dem Boden schießenden Wolkenkratzern stehen, an bunten Straßenparaden teilnehmen oder Graffiti mit flüssiger Kreide malen.
Die Klänge zu denen man sich bei “ellaH” bewegt, reichen von modernen Kompositionen des freien Musikers Hannes Scheffler, über Pianomusik aus Brasilien bis zu ungarischer Zigeunerfolklore.
“LegoLeben” erzählt keine zusammenhängende Geschichte, sondern bietet dem Betrachter Bilder, an denen er seine eigene Phantasie arbeiten lassen kann. “Der Zuschauer soll in unserem Stück nachgedacht und gelächelt haben [...]” sagt die Leiterin und Choreographin von “ellaH”,  Annett Paschke.

Franziska Freiwald

Mitteldeutsche Zeitung, 7. Juli 2006

Ein Meer weiter... Ein Meer weiter...

Beziehungen, die scheinbar unüberwindbare Gegensätze zusammenführen, sind in den wenigsten Fällen geradlinig und direkt. Der Wille nach Annäherung kann dem Versuch einer Ozeanüberquerung gleichen. Aber nicht immer müssen starke Kontraste zu Disharmonien führen – ihr Zusammenspiel kann neue Perspektiven eröffnen und unerwartete Lösungen bieten.

Sebastian Krziwanie

Fritz – Das Magazin, Juni 2005

Ein Meer weiter... Premierenkritik

Könnte `ne Sonnenuhr sein, was da auf der Bühne steht, denkt man so beim Hinsetzen. Da steigt wie eine Katze die erste Tänzerin über die Uhr. Dann Gummilitze; kennen sie Gummilitze? Die wird von den Tänzerinnen über die Bühne kreuz und quer gespannt bis wie beim Puppentheater aus Kinderzeiten die Illusion eines wogenden Meeres entsteht. Drei der Tänzerinnen bleiben drin verhangen. So der Beginn des Tanzstückes “Ein Meer weiter...” des halleschen Tanztheaters “ellaH”.
Die derzeit neun Tänzerinnen haben unter der Leitung der Leipziger Tanzpädagogin Annett Paschke ein riesigen Sprung nach vorn getan in Sachen Tanztheater und Professionalität. Was da am Samstagabend bei der Premiere in der Theatrale in Halle/Saale zu sehen war, kann sich sehen lassen und verdient Publikum. [...]

Heike Witzel

Premierenkritik, Juni 2005

Ein Meer weiter... Tanz-Performance und eine Reise über das Meer der Liebe (Auszug)

Einen ganz anderen Stil verfolgen die Mitglieder des Tanztheaters “ellaH ”. Sie nähern sich in ihrem neuen Stück “Ein Meer weiter... ” auf experimentellem Wege der nie endenden Thematik Liebe. Die getanzte Überquerung des Ozeans, das Aufbrechen zu neuen Ufern, das Hintersichlassen des Vertrauten– all das hat sich das Dutzend tanzbegeisterter Studentinnen und Berufstätiger in dieser Aufführung in der Theatrale (Beginn jeweils 20.30 Uhr) zur Aufgabe gemacht.

Katja Pausch

Mitteldeutsche Zeitung, 13. Juni 2005

Mein rechter, rechter Platz ist leer Karrierefrau trifft auf Nonne

Hallesche Gruppe feiert erfolgreiche Premiere mit “Mein rechter, rechter Platz ist leer...”

Wer kennt es nicht, das Kinderspiel “Mein rechter, rechter Platz ist leer”, bei dem man sich jemanden auf den freien Nachbarstuhl neben sich wünschen kann. “Mein rechter, rechter Platz ist leer” ist auch der Titel der neuen Produktion der seit 1997 bestehenden freien Tanzgruppe “ellaH”, die gerade vor einem begeisterten Publikum Premiere hatte. Das Stück nutzt eben die Konstellation des Kinderspiels. Sieben Stühle stehen auf der Bühne, auf die sechs Frauen kommen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Das sind die Nonne (Monique Baum), die kesse Schülerin (Ilka Brandner), die mit Schmuck behängte Sekretärin (Ines Jaschinski), die Malerin (Ellen Brix), die Karrierefrau (Kathrin Köcher) und die ungepflegte Pennerin (Susanne Quednau). Gleich in den ersten Minuten des Stückes charakterisieren sie sich durch wenige Bewegungen, beispielsweise ihre Art zu gehen.
Im Laufe des Stückes, das Diana Baron choreographiert hat und das unter der künstlerischen Leitung von Ines Gärtner steht, treffen diese Charaktere immer wieder aufeinander. Ihre Unterschiedlichkeit wird dabei genauso deutlich wie ihre Gemeinsamkeiten. Dabei bedienen die sechs Figuren aber nicht nur die gängigen Klischees, vielmehr wird auch hinter die Fassade geschaut.
Jede Figur hat ihre Wünsche, Träume und Sehnsüchte. Der Zuschauer kann darüber bisweilen herzlich lachen – beispielsweise wenn die Schülerin die Nonne zu Marionette werden lässt – wird aber auch an manchen Stellen zum Nachdenken angeregt. Die musikalische Bearbeitung der mittlerweile sechsten Produktion der halleschen Tanztheater-Truppe lag in den Händen von Hannes Scheffler. Die Begegnungen und kleinen Episoden zwischen den Figuren werden mit Bewegung, Gestik und Pantomime dargestellt, mitunter ganz ohne Klanguntermalung. Ansonsten reicht die musikalische Palette vom Rhythmischen Klopfen und Stampfen bis hin zum Tango.

Claudia Crodel

Mitteldeutsche Zeitung, 5. April 2003

Begegnungen Ein Paradiesvogel gibt sich auf

Hallesche Truppe feiert erfolgreich Premiere mit “Begegnungen” in der Theatrale

Wenn es nach Tom Wolter, dem Geschäftführer der Theatrale, ginge, könnten der Tanztheater-Premiere vom Freitagabend möglichst viele weitere Aufführungen folgen. Nicht nur er staunte über den großen Andrang. Auch viele kurz vor Beginn eintreffende Interessenten waren ob der restlos ausverkauften Eintrittskarten überrascht. Unverrichteter Dinge mussten sie wieder von dannen ziehen oder sich damit begnügen, die größtmögliche Nähe zur Kunst im Theatercafé des Hauses am Waisenhausring zu finden.
Der Menschenauflauf war berechtigt, erfüllte doch die aus Halle kommende Tanztheatergruppe “Ellah” die Erwartungen der Besucher vollauf, indem sie ein vielgestaltiges und bewegungsfreudiges Stück auf die Bühne zauberte. In den von Diana Baron choreografierten “Begegnungen” trafen Tänzer-Figuren in unterschiedlichsten Konstellationen aufeinander. Was im Titel noch recht beliebig klang, kristallisierte sich in der Aufführung zu konkreten und fassbaren menschlichen Annäherungen.
Dabei nahmen die sechs Tänzerinnen des Ensembles auf unterschiedlichste Art und Weise voneinander Notiz. Mal liefen sie ineinander, mal aneinander vorbei. Mal berührten sie sich, mal registrierten sie sich lediglich in gebührendem Abstand. Das Vorspiel einer szenischen Collage mündete schließlich in einer Episode. Dabei trafen drei Tänzerinnen, die mit abgehackten Bewegungen wie ferngesteuert und fremdbestimmt wirkten, auf ein flatterhaftes Wesen (Sandra Pilny), das mit fließenden Bewegungen im Kontrast zum Gleitschritt der Mitspielerinnen wie ein Paradiesvogel.
Die mit der Präzision eines Uhrwerks agierenden Tänzerinnen wurden am Kontrabass unterstützt von Steffen Mikolajczyk, dessen Spiel an das Ticken eines Metronoms erinnerte. Indem Mikolajcyk sein Instrument rhythmisch strich, zupfte und nahezu malträtierte, steigerte er die Strenge des Bühnengeschehens.
Dass zwischen den beiden Figurensystemen keine Kommunikation zustande kam und der Paradiesvogel sich schließlich aufgab, stellte “Ellah” auf sensible Weise und ohne überzogene Theatralik dar. So endete das Szenario glaubhaft und derart anrührend, dass die Zuschauer zunächst eine kleine Atempause brauchten, ehe sie ihrer Faszination durch Beifall Ausdruck verliehen.

Toralf Friesicke

Mitteldeutsche Zeitung, 23. Juli 2001

english | deutsch | Tanztheater ellaH © 2011–2019